Fred Morrison ist tot

Erst warfen sich Kinder Tortenbleche zu, dann wurde daraus ein Millionengeschäft: 1959 erfand Fred Morrison die Frisbee-Scheibe, jetzt ist er mit 90 Jahren gestorben. Die Ufo-Hysterie machte den Plastikteller zum Outdoor-Spielzeug schlechthin. US-Militärs entwickelten gar eine Frisbee-Geheimwaffe.

Zu jedem Millionengeschäft gehört eine kleine Legende. Die von der Erfindung des Frisbee klingt besonders schön: Demnach haben wir die majestätisch gleitende Plastikscheibe, die Generationen von Jugendlichen prägte, einer amerikanischen Bäckerdynastie zu verdanken: Seit 1871 verkaufte die “Frisbie Pie Company”, benannt nach Firmengründer William Russel Frisbie, an der Ostküste der USA Kuchen, Kekse und Torten.

Der Absatz lief gut, die Firma expandierte, stellte zeitweise 80.000 Torten am Tag her. Der Erfolg war allerdings angeblich nicht nur dem Geschmack der Süßwaren geschuldet: Irgendwann in den zwanziger, dreißiger Jahren sollen Kinder aus Langeweile angefangen haben, die flachen, runden Kuchenbleche aus dem Mülleimer zu kramen, um sie sich zuzuwerfen – und waren begeistert von den ungeahnt guten Flugeigenschaften. Wann genau das war, ist unter Frisbee-Kennern genauso umstritten, wie die Frage, ob man sich zunächst Keksdeckel oder Tortenbleche zuwarf.

Fest steht, dass ein Mann von den fliegenden Tortenböden, die er sich selbst als 17-Jähriger mit seiner späteren Frau zugeworfen haben will, inspiriert wurde – und später das Geschäft seines Lebens machte: Walter Fredrick Morrison. Nach seinem Erweckungserlebnis sollte der Sohn eines Erfinders jahrelang an der Aerodynamik von Flugscheiben tüfteln. Er experimentierte mit Gewicht, Größe, Materialien. Besessen von seiner Idee, verschuldete er sich sogar. Doch 1957 war es soweit: Mit dem US-Spielzeughersteller Wham-O fand er einen Partner, der sein Wurfgerät professionell vermarktete, zum Welterfolg machte und mehr als 200 Millionen Mal verkaufte.

Bomberpilot und hartnäckiger Erfinder

Vor wenigen Tagen ist Morrison im Alter von 90 Jahren gestorben. “Die Welt hat sich in den letzten 50 Jahren ziemlich verändert”, sagte er vor zwei Jahren, “aber der ursprüngliche Zweck der Frisbee ist geblieben: das Lachen auf dem Gesicht eines Kindes zu sehen, wenn es an einem Sommernachmittag im Park eine segelnde Scheibe fängt”. Nicht nur das: Bis heute posen Jugendliche gerne mit freiem Oberkörper am Baggersee, passen sich Frisbees lässig durch die Beine zu, schnappen sie scheinbar gelangweilt hinter ihrem Rücken oder lassen sie virtuos auf den Fingerkuppen rotieren.

Morrison, dem unzählige testosteronschwangere Heranwachsende die anhimmelnden Blicke junger Badenixen verdanken, hatte dagegen eine weit weniger sorgenfreie Jugendzeit. Im Zweiten Weltkrieg wurde er in die US-Armee eingezogen. Er flog Kriegseinsätze als Bomberpilot, geriet in deutsche Kriegsgefangenschaft und wurde im berüchtigten Lager Stalag XIII in der Nähe von Nürnberg interniert.

Als Pilot hatte er eine gute Vorstellung von Aerodynamik gewonnen, die er nach dem Krieg nutzen sollte: Zunächst versuchte er, die Flugeigenschaften der Kuchenbleche mit zusätzlichen Metallringen am Rand zu stabilisieren. Als das wenig brachte, stellte er um auf Plastik. 1947 war der erste Prototyp fertig, den er für 25 Cent am kalifornischen Strand von Santa Monica verkaufte – ohne damit ein besonderes Echo zu ernten. 1951 entwarf Morrison einen verbesserten Nachfolger, mit Rillen auf der Oberseite, für ein geschmeidigeres Gleiten. Sechs Jahre später wurde seine Erfindung patentiert – und die Firma Wham-O begann mit der Massenproduktion.

“Flip flap, flies straight”

Das neue Spielzeug, das sich bald auf der ganzen Welt millionenfach verkaufen sollte, war vermutlich auch so begehrt, weil es perfekt in die damalige Zeit passte: In den USA war in den fünfziger Jahren die Ära der Ufo-Hysterie ausgebrochen, die sich auch in vielen Filmen widerspiegelte. Kein Wunder, dass Morrison seine Erfindung zunächst “Fliegende Untertasse” oder “Pluto Platter” taufte. Möglicherweise verdankte er einen Teil des Erfolgs aber auch dem Wortwitz seiner Frau Lu, die originell die Gebrauchsanweisungen verfasste: “Flip flap, flies straight.”

Erst 1959, zwei Jahre nach Markteinführung, griff Hersteller Wham-O, der zur selben Zeit auch mit dem Hula-Hoop-Reifen einen weiteren Welterfolg feierte, die alte Geschichte mit den fliegenden Tortenblechen auf – und entschied sich zur Namensänderung. Studenten an der Elite-Universität Yale, so viel scheint belegt, haben sich schon in den vierziger Jahren die Tortenböden auf dem Campus zugepasst und dabei laut “Frisbie” gerufen, um Unbeteiligte vor dem Wurfgeschoss zu warnen. Schließlich lag der Sitz der namensgebenden Torten-Bäckerei nur wenige Kilometer von der Uni entfernt – in der Stadt Bridgeport, Connecticut.

Der Spielzeughersteller machte nun aus “Frisbie” einfach “Frisbee” und ließ den Namen registrieren – vermutlich war es kein Zufall, das die Eintragung ins Markenregister kurz nach der Schließung der alterwürdigen Bäckerei “Frisbie” geschah. So konnte der Namensgeber kaum versuchen, Ansprüche an dem genialen Marketing-Coup geltend zu machen.


Frisbees für Hunde

In den Jahrzehnten danach eroberte das Frisbee die Welt. Etliche neue Sportarten entstanden, die bekannteste davon ist “Ultimate Frisbee”: Mit schnellen Pässen aus dem Handgelenk spielen sich zwei Teams aus je sieben Spielern im rasanten Tempo die 175 Gramm schwere Scheibe zu – wer das Wurfgeschoss in der gegnerischen Zone am Ende des Spielfelds fängt, markiert für seine Mannschaft einen Punkt. Weil die Spieler ohne Schiedsrichter auskommen und Fouls und Regelverstöße selber ahnden, gilt “Ultimate” als fairste Sportart der Welt. Verbände und hunderte Vereine gründeten sich seit den Sechzigern. Allein in den USA gibt es heute rund 50.000 Vereinspieler, in Deutschland etwa 2000, die sich auf Weltmeisterschaften oder bei den “World Games” messen.

Das simple Spielzeug trieb zudem etliche skurrile Blüten: Der Rekord im Frisbee-Weitwurf liegt bei 250 Meter. Beim “Frisbee-Golf” hingegen müssen die Sportfreunde das Wurfgeschoss um Hindernisse wie Bäume und Zäune lenken und schließlich in einem speziellen Wettkampfkorb versenken. Und beim “Disc-Dogging”, offiziell als Hundesportart anerkannt, ersetzt das Frisbee das da schon fast archaisch anmutende Stöckchen. Profis schwören auf extra bissfeste Scheiben.

Mit solchen Verwendungen hatte auch Erfinder Fredrick Morrison nie gerechnet. Er hatte stattdessen 1968, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, versucht, die US-Army für das Frisbee zu interessieren. Das könne man doch, warb er, zu kleinen Waffen umfunktionieren. 400.000 Dollar wurden für ein Forschungsprojekt ausgegeben, das nach einem Jahr eingestellt wurde.

Das wenig erstaunliche Ergebnis: Das Spielzeug ist für militärische Zwecke ziemlich ungeeignet.

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